Die Zwölfbotenkapelle im Grossmünster: Stille, Stadtgeschichte und verschwundene Gräber
- zuericitytours
- vor 7 Tagen
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Im Grossmünster liegt verborgen einer der einst bedeutendsten liturgischen Orte Zürichs: die Zwölfbotenkapelle. Heute kaum noch bekannt, war sie früher nicht nur den zwölf Aposteln gewidmet, sondern auch das eigentliche Zentrum der Verehrung der Stadtpatrone Felix und Regula sowie des später hinzugekommenen Exuperantius.
Apostel, Stadtpatrone und das Heilige Grab
Die Kapelle lag rechts des Chores und war zum Seitenschiff hin offen, sodass auch Laien Zugang hatten. Im Zentrum stand der Altar der Stadtpatrone, direkt davor befanden sich ihre Gräber. Hinter dem Altar wiederum war ein sogenanntes Heiliges Grab eingerichtet – eine symbolische Nachbildung des Grabes Jesu Christi. Diese einmalige Konstellation aus Apostelaltar, Stadtpatronengrab und Heiliger Stätte machte die Kapelle zu einem spirituellen Zentrum ohnegleichen in Zürich.
Das Martyrium im Bild
Um 1500 erhielt die Kapelle ein beeindruckendes Altarbild vom sogenannten Nelkenmeister, Hans Leu dem Älteren. Es zeigte das Martyrium von Felix und Regula. Für Aufsehen sorgte allerdings nicht nur die Dramatik des Geschehens im Vordergrund, sondern auch die Darstellung der Stadt im Hintergrund. Es war das erste Mal, dass die Menschen ihre eigene Stadt in einem Gemälde so genau wiedererkennen konnten. Während der Reformation wurden die Heiligen zwar übermalt, die Stadtdarstellung jedoch blieb erhalten und wurde später restauriert.
Exuperantius – der vergessene Dritte
Erst im späteren Mittelalter fand Exuperantius, der treue Diener von Felix und Regula, Eingang in die Legende. Seine Aufnahme in die Heiligenverehrung steht symbolisch für das wachsende Selbstbewusstsein der Zürcher Bürgerschaft. Heute zieren alle drei Märtyrer das offizielle Siegel des Kantons Zürich.
Veränderung und Verlust
Im Zuge des Umbaus um 1848 wurde der Kapellenraum verkleinert, um ein Treppenhaus einzubauen. 1937 wich die ursprüngliche Holzkonstruktion einer Betonkonstruktion. Dabei wurden nicht nur architektonische Elemente zerstört, sondern auch die einstige Grabstelle von Felix und Regula. Heute erinnert nur noch eine Wandinschrift im Treppenhaus an diesen Ort.
Raum der Stille mit tiefer Vergangenheit
Heute dient die Zwölfbotenkapelle als Raum der Stille – ein Ort der Einkehr. Doch ihre Geschichte ist tief verwoben mit Zürichs Identität: Sie erzählt von Macht, Glauben, Kunst und Wandel. Wer heute still in diesem Raum sitzt, blickt zurück auf Jahrhunderte intensiver Verehrung, kunstvoller Darstellung und tiefgreifender Transformation.
Ein Besuch lohnt sich – für alle, die Zürichs Geschichte wirklich spüren wollen, und um sich im Gebet auf Gott zu besinnen.

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