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✨ Huldrych Zwingli und Zürich – eine Geschichte für die Ewigkeit

Von Wildhaus via Weesen über Wien bis ins Grossmünster – der lange Weg des Zürcher Reformators


Wer heute durch Zürichs Altstadt spaziert – vorbei am Grossmünster, an der Wasserkirche oder am Fraumünster – begegnet überall Spuren von Huldrych Zwingli. Sein Name steht für Bildung, Mut und den Beginn einer neuen Zeit.Doch bevor er Zürichs Kirche reformierte und zur Symbolfigur der Schweizer Reformation wurde, führte ihn sein Lebensweg weit über die Limmat hinaus – durch Schulen, Universitäten, Schlachtfelder und innere Kämpfe.


🧑‍🎓 Ausbildung & frühe Jahre

(Weesen → Basel → Bern → Wien → Basel)

📍 Weesen (ca. 1490 – 1494): Die ersten Jahre am Walensee

Zwingli wurde 1484 in Wildhaus im Toggenburg geboren – als Sohn eines angesehenen Bauern und Landammanns. Bereits mit sechs Jahren kam er zu seinem Onkel Bartholomäus Zwingli, dem Dekan von Weesen, wo er die ersten Grundlagen des Lesens, Schreibens und Lateins lernte.

Weesen war damals ein kleines, aber kulturell lebendiges Städtchen, in dem Geistliche, Händler und Reisende zusammentrafen. Hier entwickelte der junge Ulrich ein Gespür für Bildung und Religion, das ihn nie mehr losliess.

Interessant: In denselben Jahren (1491 – 1494) lebte auch Katharina von Zimmern, die spätere Äbtissin des Fraumünsters, als Flüchtlingskind in Weesen. Es gibt keine Belege, dass sich die beiden Kinder begegneten – doch die Vorstellung, dass sich ihre Wege dort erstmals kreuzten, ist durchaus plausibel.


🏫 Lateinschulen in Basel und Bern (1494 – 1498)

Mit etwa zehn Jahren wechselte Zwingli nach Basel, wo er an der Lateinschule St. Martin unterrichtet wurde. Basel war ein Zentrum des Humanismus, geprägt durch enge Kontakte zu Gelehrten wie Sebastian Brant (Narrenschiff) und dem aufblühenden Universitätsleben.

Zwinglis Lehrer in Basel war vermutlich Magister Gregor Bünzli, ein strenger, aber renommierter Pädagoge, der grossen Wert auf Grammatik, Rhetorik und klassische Autoren legte. Hier lernte Zwingli Cicero, Vergil und die lateinische Bibel kennen – und entwickelte seine lebenslange Liebe zur Musik.

Etwa 1496 oder 1497 wechselte Zwingli an die Lateinschule in Bern, die damals zu den besten der Eidgenossenschaft zählte. Dort unterrichtete Heinrich Wölflin, auch bekannt als Lupulus – Dichter, Humanist und später Professor in Basel.Wölflin vermittelte eine humanistische Weltsicht, in der Bildung und Vernunft zentrale Tugenden waren. Unter seinem Einfluss begann Zwingli, sich vom mittelalterlichen Denken zu lösen und die Ideen des neuen Humanismus zu verinnerlichen.

Die Dominikaner von Bern erkannten seine Begabung – vor allem seine musikalische – und wollten ihn ins Kloster aufnehmen. Sein Vater lehnte ab: „Mein Sohn soll Gott dienen, aber mit freiem Geist.“Diese Entscheidung prägte Zwinglis Weg: kein Mönch, sondern ein gebildeter Priester, offen für Neues.


🎓 Universität Wien (1498 – 1500): Humanistische Lehrjahre

Mit fünfzehn Jahren immatrikulierte sich Zwingli an der Universität Wien – eine der bedeutendsten Bildungsstätten des Heiligen Römischen Reiches. In den Matrikelbüchern ist er als Vdalricus Zwinglij de Glaris verzeichnet.

Er studierte an der Artistenfakultät, der damaligen Grundfakultät für alle höheren Studien. Hier lernte er die „septem artes liberales“: Grammatik, Rhetorik, Logik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie.Sein letztes belegtes Semester war das Sommersemester 1500 – danach kehrte er in die Schweiz zurück.

In Wien begegnete Zwingli der aufblühenden humanistischen Bewegung: Texte von Aristoteles, Platon und Cicero zirkulierten, neue Denkweisen forderten die alten Dogmen heraus. Hier begann seine geistige Emanzipation von der mittelalterlichen Scholastik.

💡 Zeitgleich, aber leicht versetzt, begann Joachim Vadian aus St. Gallen – später Zwinglis enger Freund – 1501 sein Studium in Wien, ebenfalls an der Artistenfakultät. Die beiden lernten sich zwar erst später kennen, doch sie wurden durch dieselben Ideen geprägt.


📚 Basel (ab 1502): Der Weg zum Magister artium

Nach seiner Rückkehr in die Schweiz setzte Zwingli sein Studium an der Universität Basel fort. Dort schloss er die freien Künste mit dem Grad des Magister artium ab und begann anschliessend ein Theologiestudium.Sein bedeutendster Lehrer war Thomas Wyttenbach, ein früher Kritiker des Ablasshandels und Vordenker reformatorischer Ideen.

Im September 1506 wurde Zwingli in Konstanz zum Priester geweiht. Damit begann sein kirchlicher Dienst – doch in seinem Inneren war längst der humanistische Geist geweckt, der ihn später zur Reformation führen sollte.


⛪ Erste Ämter – von Glarus nach Einsiedeln

🏞️ Pfarrer in Glarus (1506 – 1516)

Im selben Jahr wurde Zwingli, erst 22 Jahre alt, zum Kirchherrn von Glarus gewählt – ein ungewöhnlich junges Alter für ein solches Amt.Er predigte, unterrichtete, gründete 1510 eine Lateinschule und baute eine umfangreiche Privatbibliothek mit über hundert Bänden auf – ein Vermögen für jene Zeit.

Zwingli war aber nicht nur Pfarrer, sondern auch Feldprediger. Er begleitete Glarner Truppen bei den Italienzügen:

  • 1512 Pavia,

  • 1513 Novara (Schweizer Sieg),

  • 1515 Marignano (verheerende Niederlage).

Bei Marignano begegnete er dem Zürcher Bürgermeister Marx Röist, der das eidgenössische Heer befehligte.Die blutige Erfahrung dieser Niederlage liess Zwingli erkennen, wie zerstörerisch das Reislaufen war. Von da an kämpfte er in Predigt und Schrift gegen das Söldnerwesen – eine Haltung, die ihn in Zürich später berühmt (und gefürchtet) machte. 🕊️ Leutpriester in Einsiedeln (1516 – 1519)

Nach zehn Jahren in Glarus folgte Zwingli einem Ruf nach Einsiedeln, einem der wichtigsten Wallfahrtsorte Europas.Hier begann seine entscheidende innere Wandlung: Er sah, wie Ablasshändler den Glauben zum Geschäft machten und Pilger mit falschen Versprechungen lockten.

Seine Predigten wurden immer schärfer, mutiger, eindringlicher. Er sprach von Freiheit des Glaubens, von Vernunft und Wahrheit, von einem Gott, der keinen Handel treibt.Damit machte er sich nicht nur Freunde – aber genau diese Haltung bereitete den Boden für die Zürcher Reformation.


❤️ Eine menschliche Seite – die Affäre von Einsiedeln

In Einsiedeln ereignete sich auch eine Episode, die Zwingli menschlich greifbar macht:Eine junge Frau, die Tochter eines Barbiers, brachte ein Kind zur Welt und gab Zwingli als Vater an. Er bestritt die Vaterschaft, doch Quellen sprechen von einer wahrscheinlichen Beziehung.Ein Fehltritt? Vielleicht. Aber er zeigt den jungen Priester als Menschen mit Zweifeln, Fehlern und Leidenschaften – und macht ihn umso glaubwürdiger.

Später, 1524, heiratete Zwingli Anna Reinhart, eine Zürcher Bürgerin und Witwe. Mit ihr führte er eine stabile Ehe und zeugte vier Kinder.


⚔️ Feldprediger und politischer Wandel

Zwinglis Erlebnisse als Feldprediger prägten seine politische Überzeugung tief.Er hatte das Elend des Krieges gesehen, das Leid der Soldaten – und erkannte, dass wahre Stärke nicht in Waffen, sondern in Bildung und Einigkeit lag.

Diese Haltung floss später in seine Reformation ein: Glaube statt Gewalt, Vernunft statt Fanatismus.


🕍 Zürich ruft – Beginn einer neuen Zeit (ab 1519)

1519 wurde Zwingli zum Leutpriester am Grossmünster Zürich berufen.Mit klarer Sprache, Bibelkenntnis und Mut stellte er die bestehenden kirchlichen Praktiken infrage.Er predigte direkt aus der Bibel, in deutscher Sprache, und lud zu öffentlichen Disputationen ein – offene Glaubensgespräche, bei denen Rat und Bürgerschaft mitentschieden.

So wurde Zürich zum Zentrum der Schweizer Reformation, und Huldrych Zwingli zu ihrem Gesicht.


🗓️ Zwinglis Weg im Überblick

Jahr

Ort

Ereignis

1484

Wildhaus

Geburt

1490–1494

Weesen

Schule beim Onkel (Dekan)

1494–1496

Basel

Lateinschule St. Martin (Lehrer: Gregor Bünzli)

1496–1498

Bern

Lateinschule (Lehrer: Heinrich Wölflin „Lupulus“)

1498–1500

Wien

Studium an der Artistenfakultät

1502–1506

Basel

Theologie, Magister artium, Priesterweihe

1506–1516

Glarus

Pfarrer, Lehrer, Feldprediger

1516–1519

Einsiedeln

Leutpriester, Kritiker des Ablasswesens

ab 1519

Zürich

Leutpriester am Grossmünster; Beginn der Reformation


📖 Quellen (Auswahl)

  • Wikipedia (de): Huldrych Zwingli – Ausbildung, Glarus, Einsiedeln, Feldpredigerjahre

  • Wikipedia (de): Katharina von Zimmern – Aufenthalt in Weesen (1491 – 1494)

  • Wikipedia (en): Marx Röist – Zürcher Bürgermeister, Befehlshaber bei Marignano (1515)

  • Historisches Lexikon der Schweiz – Einträge zu Zwingli, Vadian, Wyttenbach

  • Egli, Emil (Hg.): Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, Zürich 1905 – 2013

  • Kirchenbote SG, Tagblatt CH – Berichte zur Einsiedler Affäre

  • Universität Wien – Personenlexikon Joachim Vadian (Studienbeginn 1501)

  • MGG Online / Brill RGG4 – Angaben zu Lehrern Gregor Bünzli und Heinrich Wölflin

 
 
 

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