500 Jahre Prophezey: Wie Zwinglis Bildungsprojekt die Bibel nach Zürich brachte
- zuericitytours
- 18. Juni
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Aktualisiert: 21. Juni
Ein Meilenstein für Sprache, Theologie und Gesellschaft: Die Prophezey am Zürcher Grossmünster war mehr als ein akademisches Projekt. Sie war ein Motor der Reformation.
Die Geburt eines reformatorischen Bildungsprojekts
Im Frühjahr 1525 begann in Zürich etwas Bahnbrechendes: Im Chor des Grossmünsters versammelten sich Geistliche, Schüler und interessierte Bürger, um gemeinsam die Heilige Schrift zu studieren. Nicht in der damals üblichen lateinischen Sprache allein, sondern auch in den biblischen Ursprachen Hebräisch, Griechisch und Latein.
Diese Einrichtung wurde bald "Prophezey" genannt, in Anlehnung an die biblische Vorstellung vom "Prophezeien" (1. Korinther 14,29) als Verkündigung und Auslegung des Wortes Gottes. Der Reformator Huldrych Zwingli hatte sie ins Leben gerufen, nicht zuletzt als Antwort auf die Herausforderungen der Zeit und im Wettstreit mit alternativen Bibelauslegungen, etwa aus dem Umfeld der aufkommenden Täuferbewegung.
Was die Prophezey besonders machte
Die Prophezey war in mehrfacher Hinsicht revolutionär:
Öffentliche Vorlesungen im Grossmünster, frei zugänglich für alle.
Sprachlich fundierte Bibelauslegung mit einem Team aus Fachgelehrten.
Täglicher Unterricht für Pfarrer und Schüler, inklusive Hebräisch- und Griechischkurse.
Lebenslanges Lernen für das evangelische Predigtamt.
Besonders war auch die Verbindung von Theorie und Praxis: Nach intensiven Diskussionen und Analysen in den Morgenstunden folgte die Predigt für die Öffentlichkeit. Die Ergebnisse der Prophezey flossen schließlich in die Zürcher Bibel ein, die 1531 erstmals vollständig erschien.
Ein Zentrum des Denkens
Zwingli selbst war für die Auslegung der Septuaginta zuständig, während der Basler Gelehrte Konrad Pellikan die hebräischen Texte betreute. Der junge Sprachgelehrte Jakob Ceporin führte zusätzliche Nachmittagskurse durch – bis zu seinem frühen Tod mit nur 25 Jahren.
Die Prophezey hatte ihren Platz zunächst im Chorraum der Kirche, später in der Michaelskapelle und der Chorherrenstube. Mit der Zeit entstand ein ganzes Bildungssystem rund um die Prophezey, inklusive Bibliothek und Lehrbetrieb für die oberste Klasse der Lateinschule.
Eine Antwort auf die Täuferbewegung
Zwinglis Fokussierung auf das Alte Testament war auch ein bewusster Kontrast zur Täuferbewegung, die das Neue Testament bevorzugte und sich in privaten Bibelkreisen traf. Die Prophezey hingegen stand für ein öffentliches, kontrolliertes und sprachlich fundiertes Bibelstudium. Sie wurde so zum Modell für evangelische Bildung im deutschsprachigen Raum.
Das Jubiläum 2025: Ein Fest für das Denken
Im Jahr 2025 feiert Zürich 500 Jahre Prophezey mit einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm:
Eine Ringvorlesung beleuchtet historische und theologische Aspekte.
Es gibt Lesungen, Performances und Ausstellungen, darunter ein Originaldruck der Prophezey von 1525.
Stadtführungen führen Interessierte durch die Stationen reformatorischer Bildungsarbeit.
Den Abschluss bildet ein Festgottesdienst am 22. Juni 2025 im Grossmünster.
Theater "Denkerey" im Originalraum
Ein besonderes Highlight ist das Theaterstück "Denkerey" des Helfereitheaters. Es wird im Oberen Chor des Grossmünsters aufgeführt – genau dort, wo die Prophezey einst begann. Die Aufführung verbindet historische Szenen, aktuelle Reflexionen und musikalische Elemente.
Première: Mittwoch, 18. Juni 2025 | Weitere Termine: 20., 21., 22. Juni sowie 6. Juli, 4. und 5. Oktober.
Ein Bänkelgesang, ein Bildschirm mit historischen Fakten und sprechende Skulpturen machen das Stück zu einer lebendigen und vielschichtigen Auseinandersetzung mit Bildung, Gesellschaft und Glauben – damals wie heute.
Die Prophezey war mehr als ein Bildungsprogramm. Sie war Ausdruck eines neuen Denkens, das Glaube, Sprache und Verantwortung miteinander verband. 500 Jahre später erinnert uns dieses Jubiläum daran, wie wertvoll öffentlicher Zugang zu Bildung und Sprache für eine lebendige Gesellschaft ist.
Mehr Informationen zum Jubiläum, zu Veranstaltungen und Tickets: www.grossmuenster.ch










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