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Zürich und die Täufer

Aktualisiert: 10. Juni

Die Reformation in Zürich ist untrennbar mit dem Namen Huldrych Zwingli verbunden. Doch es waren nicht alle seiner Anhänger mit dem Verlauf der Reformation einverstanden. Einige forderten radikalere Schritte: Sie wollten eine Kirche ohne Staatsmacht, ohne Säuglingstaufe – dafür mit freiem Gewissen, freier Entscheidung und einer kompromisslosen Rückkehr zum Urchristentum. Diese Bewegung wurde später als Täufer oder Wiedertäufer bekannt.

In diesem Blogbeitrag nehmen wir dich mit auf eine historische Spurensuche durch Zürich und zeigen, wie eine kleine Gruppe Gläubiger mit großem Mut eine Bewegung ins Leben rief, die bis heute Millionen von Menschen in aller Welt prägt – und deren erster Märtyrer in Zürich in der Limmat ertränkt wurde.


Die Täuferbewegung: Was sie wollten – und warum sie unbequem waren

Die Täufer waren Teil der sogenannten Radikalen Reformation. Ursprünglich eng mit Zwingli verbunden, forderten sie bald mehr:

  • Gläubigentaufe statt Säuglingstaufe

  • Freiwilliger Beitritt zur Gemeinde

  • Trennung von Kirche und Staat

  • Verweigerung von Eid und Waffendienst

  • Gewaltlosigkeit

  • Teilweise sogar Gütergemeinschaft

Das zentrale Anliegen: Nur wer selbst an Christus glaubt, soll auch selbst entscheiden dürfen, getauft zu werden – nicht durch Eltern oder Staat. Diese Forderung war im 16. Jahrhundert revolutionär. Sie bedeutete das Ende der Volkskirche, wie man sie kannte.


Zürich, Januar 1525: Die Reformation spaltet sich

Die Bewegung nahm ihren Anfang in Zürich. Die späteren Täufer – unter ihnen Felix Manz, Konrad Grebel und Jörg Blaurock – waren Teil von Zwinglis Bibelkreis. Doch während Zwingli die Reformation mit Rücksicht auf den Stadtrat langsam vorantrieb, drängten sie auf sofortige, konsequente Umsetzung biblischer Prinzipien.

Am 21. Januar 1525 kam es zum Wendepunkt:Im Haus der Mutter von Felix Manz baten die Anwesenden Jörg Blaurock, sie auf den Glauben hin zu taufen – und nicht mehr als Kind getauft zu werden. Damit war die erste Gläubigentaufe der Reformationszeit vollzogen. Für viele Historiker ist dies die Geburtsstunde der Täuferbewegung.


Zollikon: Die erste evangelische Freikirche Europas

Die Täufer begannen sofort mit der Evangelisation – vor allem im Dorf Zollikon bei Zürich. Dort taufte Blaurock Dutzende Menschen, las Bibelstellen vor und feierte das Abendmahl „in apostolischer Schlichtheit“.

Das war die erste protestantische Freikirche Europas – Monate bevor die offizielle Reformation in Zürich das Abendmahl überhaupt zugelassen hatte. Die Zolliker Täufer verweigerten der Obrigkeit die geistliche Autorität – und wurden prompt verfolgt.


Repression und Martyrium in Zürich

Am 18. Januar 1525 verbot der Zürcher Stadtrat die Gläubigentaufe. Nur einen Tag später, am 22. Januar, folgte das erste Verbot, alle Täufer mussten innerhalb von 8 Tagen Zürich verlassen. Doch Felix Manz und seine Freunde hörten nicht auf.

Am 5. Januar 1527 wurde Felix Manz in der Limmat ertränkt – die erste Hinrichtung eines Täufers durch Protestanten.Sein Vergehen: Gläubigentaufe und Beharrung auf Gewissensfreiheit.

👉 Eine Gedenktafel an der Limmat beim heutigen Helmhaus erinnert an dieses dunkle Kapitel Zürcher Geschichte.


Die Schleitheimer Artikel: Das Manifest der Täufer

Im Februar 1527 trafen sich Täuferführer in Schleitheim (Kanton Schaffhausen) und formulierten die sieben Grundsätze ihres Glaubens, darunter:

  1. Gläubigentaufe

  2. Bann bei schweren Sünden

  3. Abendmahl nur für Gläubige

  4. Trennung von der Welt

  5. Freie Wahl der Gemeindeleitung

  6. Pazifismus

  7. Eidverweigerung

Diese sogenannte Schleitheimer Artikel gelten bis heute als Grundlagentext vieler täuferischer Gemeinden.


Verfolgung, Flucht und weltweite Verbreitung

Die Täufer wurden als Ketzer verfolgt – in katholischen wie auch in reformierten Gebieten. Die Repression war brutal:

  • Über 1.000 dokumentierte Hinrichtungen

  • Inhaftierung, Folter, Galeeren, Landesverweis

  • Besitzenteignung, Kindeswegnahme

Viele flohen nach Mähren, später nach Preußen, ins Russische Kaiserreich und schließlich nach Nord- und Südamerika.


Die Nachfahren der Täufer heute

Trotz aller Repression ist die Bewegung nicht untergegangen. Ihre Nachkommen leben heute in vielen Ländern – unter anderem als:

  • Amische in den USA und Kanada

  • Mennoniten in Nord-, Mittel- und Südamerika, Afrika und Asien

  • Hutterer mit Gütergemeinschaft in Kanada und Nordamerika

Viele dieser Gruppen halten bis heute an Deutsch als Glaubenssprache fest (Plautdietsch, Hutterisch, Pennsylvania Dutch).Insgesamt gehören weltweit über 2 Millionen Menschen zur täuferischen Tradition.


Späte Versöhnung und historisches Gedenken

Lange Zeit wurden die Täufer in der kirchlichen Geschichtsschreibung verschwiegen oder stigmatisiert. Erst im Täuferjahr 2007 bat die Reformierte Kirche der Schweiz um Vergebung. Der Lutherische Weltbund folgte 2010 mit einem Schuldbekenntnis.

In Zürich erinnern heute mehrere Orte an die Täufer:

  • Täuferbrunnen an der Schipfe

  • Gedenktafel am Helmhaus

  • Stadtführungen zu Stätten der Repression und des Aufbruchs


Fazit: Zürichs unbequeme Reformationsgeschichte

Die Geschichte der Täufer ist eine Geschichte von:

  • Mutigem Glauben

  • Geistlicher Selbstbestimmung

  • Verfolgung und Ausdauer

  • Und einem bleibenden Erbe in aller Welt

Zürich war nicht nur Zentrum der Reformation – sondern auch Geburtsort einer globalen Freiheitsbewegung im Glauben.


Besuche mit uns die Orte, an denen die Täufergeschichte geschrieben wurde



ree

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